Niederländische Watteninseln abseits des Radars

WattenInseln, die nach Stille verlangen, nicht nach Flip-Flops

Nicht jede Perle im Wattenmeer glänzt auf deinem Instagram-Feed. Manche Orte sind so leise, so unberührte Natur, dass selbst Google sich fragt, ob du wirklich dahin willst. Keine Strandbar, kein Geldautomat, kein Influencer weit und breit. Aber: Seehunde mit geburtstränen, Pionierpflanzen mit Dünenambitionen und Vögel, so selten, dass sie kaum glauben, dass sie selbst existieren.

Zuvor konntest du im Artikel Die unbewohnten Watteninseln bereits ganze Regionen entdecken. In dieser Fortsetzung zoomen wir hinein auf die strahlenden Sterne des Watts: Sandbänke und Inselchen, auf denen die Natur das Sagen hat – und wo du aus sicherer Entfernung Zeuge sein kannst.

Richel – Das Geburtsresort der Seehunde

Richel klingt vielleicht wie ein französisches Parfum, ist aber in Wahrheit eine raue Sandbank südwestlich von Vlieland, die nach Schlamm und nassem (See)hund riecht. Unbewohnt, unberührt und bei Hochwasser rund 30 Hektar groß. Keine Strandliegen, kein WLAN, dafür hunderte Seehunde und sich bildende Dünen, die Richel zu einer echten Insel machen möchten.

Für die Kegelrobben ist Richel DER Ort zum Gebären. An manchen Tagen ruhen bis zu 900 ausgewachsene Tiere an der Nordseite der Bank. Im Winter werden hier stolze 80–90 % der gesamten Wattenmeerpopulation geboren. Keine Brutkästen, nur eine frische Seebrise.

Bis 2009 verschwand Richel bei Hochwasser komplett, doch seitdem bilden sich vorsichtig Dünen. Strandhafer und Strandrauke halten stand. Dennoch bleibt es ein Wettlauf: Was heute wächst, wird morgen oft von der See weggespült.

Bild: NIOZ

Von April bis September leben Wattwächter auf Richel in einem schwimmenden Haus. Sie informieren, überwachen und protokollieren alles, was fliegt, schwimmt oder unerwartet auftaucht. Biologin Laura Zwanenveld lebte 2011 und 2012 zweimal eine Woche lang ganz allein mit Zelt und Kamera dort. Ihre Zeitraffer-Videos lassen Richel lebendig werden – mit wanderndem Sand, herumwuselnden Seehunden und endlosem Himmel.

Griend – Vogelinsel mit mittelalterlichen Wurzeln

Griend liegt südwestlich von Terschelling und wirkt auf den ersten Blick wie ein kleines grünes Fleckchen. Doch jährlich wählen über 30 000 Brutpaare diese Insel als Heimat. Stelzenläufer, Seetaucher und die seltene Große Seeschwalbe bevölkern die Salzwiesen zahlreich.

Im Mittelalter war Griend viel größer. Dort stand eine Klosterschule und sogar eine Siedlung. Doch nach der St.-Lucia-Flut 1287 versank ein großer Teil der Insel im Meer. Seitdem driftet Griend und wird langsam kleiner.

Bild: Natuurmonumenten

Während Deicharbeiten in den 1980er-Jahren wurden versehentlich Waldmäuse auf die Insel eingeschleppt. Sie haben sich mittlerweile gut eingelebt, sehr zum Ärger der Vogelwächter – denn sie wissen sofort, wo es Futter gibt. Glücklicherweise helfen natürliche Reinigungskommandos: Kornweihen und Wiesenweihen halten den Mäusebestand in Schach.

Engelsmanplaat – Zwischen Ufer und Meer

Zwischen Ameland und Schiermonnikoog liegt Engelsmanplaat, einst eine vollständige Insel, nun eine versunkene Sandbank. Bei Ebbe ist sie eine weite Ruhezone für Watvögel und Wattwanderer. Bei Flut verschwindet sie weitgehend unter den Wellen.

Die Bank verliert mit jedem Sturm mehr Dünen und wird zunehmend anfällig. Dennoch bleibt sie ein wichtiger Rastplatz für Zugvögel. Und wer das Glück hat, beim Trockenfallen dort zu stehen, erlebt etwas Unvergessliches.

Rottumerplaat – Wolkers’ wahre Wildnis

Rottumerplaat ist einer der ruhigsten Orte der Niederlande. So still, dass es 1971 für ein besonderes Experiment ausgewählt wurde: Zwei Autoren durften dort jeweils zehn Tage völlig isoliert verbringen. Zuerst Godfried Bomans, dann Jan Wolkers. Bomans fand es furchtbar – die Einsamkeit, das Geräusch von Wind und Meer – er konnte es nicht ertragen. „Ich sehne mich heftig nach einer Wand“, schrieb er.

Wolkers hingegen fand genau das, was er suchte. Zwischen Sand, Salz und Stille entdeckte er Inspiration, Ruhe und eine tiefe Naturverbundenheit. Er beschrieb, wie ihm das Meer zuflüsterte, der Sand sang und die Insel ihm eine urtümliche Lebenskraft zurückgab – etwas, das man in der Stadt nie findet.

Seine Briefe von Rottumerplaat, später in Grüße von Rottumerplaat gebündelt, sind nicht nur literarisch, sondern auch ökologisch zeitlos. Dieses magische Erlebnis ist auch heute noch spürbar, wenn man in der Nähe entlangsegelt: ein Ort, an dem die Natur keinen Applaus erwartet – sie ist einfach.

Heute ist die Insel verbotenes Terrain, nur zugänglich für Wissenschaftler und Wattwächter. Vögel brüten ungestört. Seehunde sonnen sich auf den Priele. Und tief unter dem Sand liegt eine Süßwasserlinse, die es selbst auf diesem salzigen Inselchen Pflanzen ermöglicht, zu gedeihen.

Rottumeroog – Eine Insel auf Wanderschaft

Rottumeroog driftet langsam Richtung Deutschland. Durch diese natürliche Verschiebung verändert es ständig seine Form und Funktion. Es ist eine wichtige Raststätte für bedrohte Arten wie die Zwergseeschwalbe und den Brachvogel. Der Priel zwischen Rottumeroog und Rottumerplaat – der „Schild“ – ist zudem ein beliebter Liegeplatz für sonnenhungrige Seehunde.

Menschen sind hier nicht erwünscht. Die Ruhe ist zu kostbar, um sie zu stören.

Zuiderduintjes – Jung und voller Potenzial

Die Zuiderduintjes entstanden aus abgebrochenen Stücken von Rottumeroog und wachsen nun langsam wieder zurück zu ihrem Ursprung. Die Salzwiesen sind reich an salzliebenden Pflanzen wie Queller und Strandwein. Bei Hochwasser rasten hier tausende Vögel. Wissenschaftler beobachten genau, wie sich dieses Mini-Inselchen ohne menschliches Zutun entwickelt – mit beachtlichem Erfolg.

Sandbänke im Wattenmeer: Leer, und doch voller Leben

Simonszand – Eine geteilte Sandbank mit Geschichte

Zwischen Schiermonnikoog und Rottumerplaat liegt Simonszand: eine Sandbank, die sich einst während eines Sturms in zwei Hälften teilte. Entgegen aller Erwartungen blieb sie ein beliebter Rastplatz – vor allem für Zugvögel und sonnende Seehunde. Auch Forscher finden hier Ruhe – buchstäblich. Ein Student lebte dort sechs Wochen lang in einer Holzhütte, mit nichts als Sand, Gezeiten und neugierigen Seehunden.

Razende Bol – Die wandernde Sandbank, die überrascht

Die Razende Bol, auch Noorderhaaks genannt, liegt bei Texel und verändert ständig ihre Form. Wind, Wellen und Strömung geben dieser Sandbank ein kontinuierlich neues Profil. Kegelrobben nutzen sie als Geburtsstätte, während Freizeitsuchende sie gelegentlich für ein BBQ missverstehen. Dennoch wächst das Bewusstsein für die Zerbrechlichkeit dieses Ortes. Dank der Dokumentation WAD wissen immer mehr Menschen, dass auch eine scheinbar leere Sandbank Schutz verdient.

Warum du hier nicht einfach so hinkannst

Diese Inseln und Sandbänke sind nicht ohne Grund Sperrgebiet. Nicht, weil man Besucher fernhalten will, sondern weil Ruhe und Raum essenziell sind für alles, was hier lebt und brütet. Selbst kleinste Störungen können große Folgen haben. Glücklicherweise gibt es Wege, diese Orte dennoch zu erleben – ohne sie zu betreten.

Auf Expedition ohne Fußspuren zu hinterlassen

Möchtest du diese Orte selbst erleben, ohne die Natur zu stören? Dann ist eine Segeltour mit einer kleinen, nachhaltigen Plattbodenschiff ideal. Ab Harlingen oder Lauwersoog segelst du vorbei an den abgelegensten Sandbänken des Wattenmeers. Keine Menschenmassen, keine Lautsprecher – nur Stille, Wissen und Ehrfurcht.

An Bord siehst du ruhende Seehunde, nach Nahrung suchende Vögel und junge Dünen auf Sandflächen, wo früher nur Wasser war. Guides erklären dir alles über das Watt, die Gezeiten und das Leben dort. Manchmal kannst du bei Ebbe an Land gehen – vielleicht triffst du sogar einen Wattwächter, der voller Begeisterung sein Wissen teilt.

Buche deine Reise über www.lotussailing.com/de und entdecke, wie spektakulär Stille sein kann.